So viel musst du wetten für maximalen Profit
Für eine Wette auf eine Prognose muss man auch entscheiden wie viel man wetten will. Die Kelly-Formel liefert die exakte Antwort.
Kommt ein Fuchs in eine Kneipe. Dort sitzt ein Igel, der ihm ein Wettspiel anbietet.
“Ich setze genau so viel wie du, Fuchs. Dann ziehst du eine Karte. Bei Rot, also Herz oder Karo, gewinnst du. Bei Schwarz, also Pik oder Kreuz, gewinne ich. Weil ich nett bin, sind sogar noch zwei Joker drin, bei denen gewinnst du auch noch. Machst’e mit?”
Der Fuchs überlegt kurz. Der Einsatz ist Fifty-Fifty. Die Gewinnchancen sind etwas besser als Fifty-Fifty wegen der Joker. Das bedeutet der Erwartungswert ist positiv und als rationaler Fuchs sollte er die Wette annehmen.
Der Fuchs legt einen Zehn-Euro-Schein auf den Tisch genauso wie der Igel. Dann zieht er. Verloren. Hastig grapscht sich der Igel das Geld.
“Nochmal?”, grinst der Igel verschlagen.
Der Fuchs ist überrascht. Wenn er öfter spielen darf, dann muss er ja irgendwann gewinnen.
“Wie oft darf ich spielen?”
“Wie viel Geld hast du dabei?”, fragt der Igel und füllt sein Glas nach.
Der Fuchs wühlt in seinen Taschen. Mit allem Kleingeld kommt er genau auf 100€.
“Ich bin den ganzen Abend hier”, kichert der Igel.
Knapp zwei Stunden später wankt der Fuchs aus der Kneipe. Er hat kein Geld und keine Jacke mehr. Drinnen lacht der Igel: “Sehen wir uns morgen wieder?”
Was war passiert? 🧐
Der Fuchs hatte eine Pechsträhne und dann seine Jacke verkauft um weiterzumachen. Dann hatte er eine Glückssträhne und war bei 250€. Im Vertrauen auf sein Glück setzte er 200 auf einmal und verlor. Dann ging es richtig bergab. Um seinen Verlust wieder auszugleichen machte er einige verzweifelt hohe Einsätze und war bald pleite.
Die Überlegung zum Erwartungswert war korrekt. Mathematisch gesehen hätte der Fuchs auf Dauer gewinnen müssen.
Das stimmt aber nur unter der Annahme, dass ihm nicht zwischendurch das Geld ausgeht. Worauf der clevere Igel wettet, ist eigentlich, dass sein Gegner zu gierig wird und zu viel setzt und dann eben auch irgendwann mal verliert. Deswegen auch die für ihn sehr wichtige Frage wie viel Geld der Fuchs hat.
Was hätte der Fuchs machen müssen? Weniger Einsatz wetten, wenn sein Budget weniger wird. Ok, aber wie viel denn? 🤔
Dafür müssen wir ein bisschen Rechnen.
Es gibt eine mathematisch exakte Antwort, die man mit der Kelly-Formel berechnen kann. Wir brauchen dazu zwei Zahlen: Die Gewinnchance (WQ-1) und die Gewinnquote (Q-1) und teilen diese durch einander.
Bei 52 Karten plus 2 Joker gewinnt der Fuchs bei 28 der 52 Karten. Die Wahrscheinlichkeit W ist also 28/52 bzw. etwas über 53%. Genauer wäre 53,85% aber wir unterschätzen unsere Chancen lieber um auf der sicheren Seite zu sein.
Die Quote Q ist bei einer Fifty-Fifty Wette 200%.
Die Gewinnchance ist nach der Formel 53%×200% - 1 = 6%.
Die Gewinnquote ist 200%-1 = 1.
Die Kelly-Formel sagt jetzt: K = 6% / 1 = 6%.
Der Fuchs sollte also nur 6% seines Budgets bei jeder Wette setzen! Bei 100€ genau 6€. Falls er dann gewinnt, hat er 106€ Budget und entsprechend sollte er 6,36€ setzen. Falls er verliert, hat er aber nur noch 94€ Budget und sollte nur 5,64€ setzen.
Wenn man nur die Pleite vermeiden will, dann wettet man am besten gar nicht. Ohne Wette aber natürlich auch kein Gewinn. Man maximiert den Gewinn, wenn man genau bei der Quote der Kelly-Formel bleibt. Wer zu viel wettet, verliert zu viel. Wer zu wenig wettet, gewinnt zu wenig.
Warum ist das wichtig? Auch Prognosemärkte sind Wetten und auch dort will man nicht pleite gehen. Allerdings sind die Zahlen etwas schwieriger als Fifty-Fifty. Nehmen wir als Beispiel den populären Markt zum LK-99-doch-nicht-Supraleiter:
Der Markt steht aktuell bei 8% und ich habe vor auf NEIN zu wetten. Das bedeutet Q=108%. Sehr viel weniger als die 200% vom Igel, weil es eben nicht mehr Fifty-Fifty ist.
Ich glaube, die JA-Chance ist grob bei 1% (eher noch weniger). Das bedeutet ich nehme an, meine Gewinnchance für NEIN ist W=99%. Die Kelly-Formel sagt nun (99%×108%-1) / (108%-1), was etwas über 86% ist. Hier sollte ich fast mein ganzes Geld reinstecken.
Andersrum: Was wäre, wenn ich glaube, die Chancen liegen eigentlich bei 20% für JA? Bei 8% wäre meine Quote 1250%; ich würde mehr als das 12fache meines Einsatzes gewinnen. Also sagt die Kelly-Formel: (20%×1250%-1) / (1250%-1) = 13%. Da müsste ich also vorsichtig sein und nur wenig investieren.
Puh, ziemlich viel zu Rechnen. Die Kelly-Formel sagt mir ja nur den Anteil des Budgets, also muss ich die Mana/Euro Beträge ja auch noch Ausrechnen. 😰
Glücklicherweise hat hier (zumindest für Manifold) jemand was gebastelt: Manifolio. Dort kann ich meinen User-Namen, URL des Markts, und meine Schätzung eingeben und er spuckt mir direkt aus wie viel ich setzen sollte.
Manifolio rechnet sogar noch komplizierter. Zum Beispiel verschieben wir beim Wetten ja den Preis und das bezieht die einfache Kelly-Formel nicht mit ein. Außerdem ist ein Teil deines Budgets vielleicht nur geliehen. Und so weiter.
Für Chrome-Browser gibt es Manifolio als Extension, was viel komfortabler ist. Vielen Dank an William Howard, der das gebaut hat!
Ich war bisher übrigens eher zu zurückhaltend. Manifolio sagt mir oft, dass ich mehr setzen sollte als ich gedacht hätte. Beispiel siehe Screenshot oben. Damit habe ich also oft meine Gewinne beschränkt.
Am nächsten Abend kommt der Fuchs wieder in die Kneipe. Der Igel ist bereits dort und grinst verschlagen als er sein Opfer von gestern erkennt.
“Wie viel hast’e dabei?”
“100€ wieder.”
“Ok, dann los.” Der Igel mischt die Karten und fragt, “wie viel setzt du?”
“6€”, sagt der Fuchs.
Der Igel stutzt. Die Zahl ist verdächtig ungewöhnlich. Er überschlägt im Kopf und realisiert, dass der Fuchs sehr nahe an der Kelly-Formel ist. Er blickt sich nervös um. Schon haben sich einige Zuschauer um den Tisch gesammelt.
“Momentchen, Momentchen, ich muss noch eben für kleine Igel, dann geht’s los.”
Mit diesen Worten verschwand der Igel und wurde nie wieder in der Kneipe gesehen.
Wahrscheinlich bis nächste Woche liebe Leser! 😊