Wie gut sind Prognosemärkte?
Man mag sie als Glücksspiel ablehnen, aber was man nicht machen sollte: Behaupten die Prognosen wären schlecht; Also irgendwann zumindest.
Ein Grund warum Prognosemärkte so faszinierend sind ist, dass sie als die beste Methode zur Aggregierung gelten. Im Grunde ist das Argument sehr einfach: Wären Prognosemärkte nicht gut, dann würde irgendjemand schnell viel Geld verdienen. Auch bei Astral Codex Ten in der Prediction Market FAQ läuft es darauf hinaus, aber wir können auch etwas ausführlicher werden.
Wann sind Prognosemärkte schlecht?
Es gibt Gründe die Prognosemärkte verzerren, die objektiv erkennbar sind:
Zu hohe Transaktionskosten. Passiert beispielsweise weil man erst in Crypto wechseln muss oder weil Glückspielsteuer von 5% anfällt. Gerade bei Märkten nahe 0 oder 100 Prozent wird das bemerkbar. Wenn ich garantiert 5% verliere, wette ich nicht auf eine 95% Chance, weil ich keinen Gewinn machen kann.
Zu hohe Opportunitätskosten. Die einfachste Möglichkeit Geld zu investieren ist es für ~5% pro Jahr per ETF in die Weltwirtschaft zu stecken. Ein Prognosemarkt ob sich die Menschheit bis 2100 auslöscht, wirft niemals so viel Gewinn ab. Spielgeld fällt auch in diese Kategorie, denn vielen Menschen ist ihre Zeit zu schade um sie in Internet-Gummipunkte zu investieren.
Zu hohes Kontrahentenrisiko. Was wäre wenn eine Platform einfach beschließt mein Geld zu klauen? Börsen und Banken achten sehr auf ihren Ruf. Prognosemärkte müssen sich das Vertrauen erst noch verdienen. Was ist wenn eine Prognose einfach anders interpretiert wird? Die Bedingungen müssen ohne Mehrdeutigkeit formuliert sein und das ist eine Kunst für sich.
Mangel an Liquidität. Wenn zu wenige Teilnehmer dabei sind, dann lohnt es sich nicht dagegen zu wetten. Das ist das Problem, wenn Plattformen beschränken wie viel Geld man investieren darf und Echtgeldmärkte müssen das derzeit wohl.
Jeder Prognosemarkt heute hat mindestens eines dieser Probleme. Trotzdem sind die Prognosen oft besser als die Alternativen.
Maßstab: Wahlprognosen
Da es immer um Wahrscheinlichkeiten geht, brauchen wir für einen Vergleich einen größeren Datenpool von Prognosen. Die Auswertung sollte ohne Mehrdeutigkeiten sein, viele Leuten sollten mitgemacht haben, und auch viele alternative Prognosemethoden sollten verfügbar sein. Wahlprognosen, insbesondere von US Wahlen, erfüllen diese Anforderungen.
Der Iowa Electronic Market (IEM) macht seit 1988 Wahlprognosen und das besser als Umfragen. In 3 von 4 Fällen der folgenden Aussage nach.
In almost three out of every four cases, prediction markets are more accurate than polls, the next-best prediction method we have. And in long term forecasts, prediction markets tend to be significantly more accurate than polls. –Cornell University, 2015
Gerade wenn es um Prognosen zu Wahlen geht, werden gerne Experten gefragt. Die meisten erzählen Blödsinn, aber ein paar wenige sind auch ernstzunehmen. Am bekanntesten ist wohl Nate Silver mit Five Thirty Eight. Wikipedia schreibt:
Im Jahr 2007 begann Silver unter dem Pseudonym „Poblano“ Analysen und Prognosen zur US-Präsidentschaftswahl 2008 zu veröffentlichen. Im Bezug auf die Präsidentschaft sagte sein Modell in 49 der 50 US-Bundesstaaten, im Bezug auf die Wahlen zum US-Senat für alle 35 Sitze den Ausgang korrekt voraus und brachte Silver weltweite Aufmerksamkeit.
Five Thirty Eight schlägt Prognosemärkte, so eine Analyse. Allerdings ist der Durchschnitt aus beiden noch besser. Das spricht dafür, dass das Zusammenfassen noch Potential birgt und Prognosemärkte mit mehr Teilnehmern noch besser werden dürften.
Hier hat jemand einen Vergleich für die US Wahlen 2020 gemacht. PredictIt als Prognosemarkt gegen Five Thirty Eight und den Economist. Hier verliert PredictIt.
Spannend ist das Ergebnis, wenn man sich auf die “Swing States” beschränkt, also die Staaten raus nimmt die “eh klar” sind. PredictIt hatte offenbar Probleme damit “eh klar” auch so wahrscheinlich anzugeben, was sich auf das Problem der Transaktionskosten (siehe oben) schieben lässt.
Maßstab: Geopolitik
Das Good Judgement Project ließ Amateure gegen Profis dabei antreten geopolitische Ereignisse vorherzusagen. Die Amateure waren überraschend gut und wenn man sie zusammenfasste sogar zuverlässig besser als die Profis. Manche Leute sind herausragend gut und so entstand der Titel Superforecaster und das Buch Superforecasting. In dem Buch vergleicht Philip Tetlock den Ansatz auch mit Prognosemärkten:
Superteam beat prediction markets by 15% to 30%.
Das klingt schlecht. Allerdings gibt er auch zu, dass es da berechtigte Einwände gibt: Es ging nur um Spielgeld und es waren zu wenige Teilnehmer. Aber eigentlich ist es egal.
Superforecaster sind keine Konkurrenz. Sie sind erfolgreiche und wertvolle Teilnehmer für Prognosemärkte. Wie sich in der Forschung zeigt, ist der Durchschnitt von Superforecastern besser als jeder einzelne von ihnen. Das bestätigt den Ansatz von Prognosemärkten. Gleichzeitig kann man aus der Forschung einiges lernen, wie man bessere Prognosen macht.
Wir haben gerade erst begonnen…
Die neueste Meta-Studie die ich zum Thema gefunden habe ist Prediction Markets: A Systematic Review and Meta-Analysis von 2020. Die Schlussfolgerung der Autoren:
our significant meta-analysis result show that on average prediction markets is 79% more accurate than alternative forecast methods
Übersetzt: Unsere Meta-Analyse zeigt, dass Prognosemärkte im Durchschnitt 79% akkurater sind als alternative Prognosemethoden.
Wären Prognosemärkte nicht gut, dann würde irgendjemand schnell viel Geld verdienen
Das beste ist aber eigentlich, dass Prognosemärkte bisher eigentlich noch kaum genutzt werden. Wie gut werden sie sein, wenn bei Investmentbanken ganze Abteilungen dran säßen, weil es um Millionen geht? Aktuell lässt sich noch nicht viel Geld damit verdienen den nächsten US Präsidenten vorherzusagen oder den Ausgang eines Kriegs. Das wären aber nützlichere Fragen als der Wert von Aktien.
Wahrscheinlich bis nächste Woche liebe Leser! 😊